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4. Etappe: Hoegners Flucht
Hoegners Flucht
 
Scharnitz-Karwendelhaus
Gehzeit ges. 5 Stunden, als Einstiegsetappe ab dem späten Vormittag geeignet.
Wegverlauf und Streckenprofil
18 km, 850 HM auf, 5 Std. bis Karwendelhütte
laut Tourismusbüro Scharnitz 23 km auf der Straße
5,08 Std, 15,7 km, 817 ↑↓ 38 HM
 
Ich bin nicht wie auf der Weitwanderroute geplant von Leutasch über den Hohen Sattel auf der Via Alpina gegangen, sondern von München aus gestartet. Durch überlanges Rumkruscheln, habe ich die U-Bahn verpasst, dann die nächste genommen, die aber leider wegen unbefugten Personen auf der Strecke nicht fahren konnte, dann mit der Tram zum Bahnhof. Dort konnte leider keiner der Fahrkartenschalter einen 20 Euro Schein annehmen, auch das Ziel Scharnitz konnte man so nicht eingeben. Oder ich war dazu zu blöd. Dann eben doch an den Schalter, wo ich dann als Serviceleistung für das ausdrucken der beiden Karten jeweils 3 Euro zahlen durfte. Hab ich mich unheimlich gefreut. Dann nach Uffing Bergschuhe und Rucksack geholt und mit dem Zug dann wieder weiter nach Mittenwald. Ab hier Schienenersatzverkehr bis Scharnitz. Eigentlich hatte ich da dann schon keine Lust mehr. Den Einstieg sollte man eigentlich stressfreier planen.
 
Es war dann nach 13 Uhr als ich endlich an der Isarbrücke in Scharnitz losging. Den Isarpanoramweg entlang und immer der Wegweisung Karwendeltäler folgend. Am 2. Parkplatz dann der große Abzweiger zum Karwendeltal (gerade aus geht es dem Isartal entlang zur Kastenalm). Jetzt muss man erst einmal 40 Minuten relativ stramm bergauf auf einer gut ausgebauten geschottereten Forststraße bis man auf der Hochkante des Tals des Karwendelbachs angelangt ist.

Karwendelbach, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu
Es ist unter der Woche und überraschenderweise nichts los. Jetzt geht es für 2 Stunden relativ eben dahin. Links und rechts die steilen kahlen Wände des Karwendels. Die erste Weidefläche mit jungen Kälbern und bis auf einige wenige Radler eigenlich kein Mensch. Nach insgesamt 2,5 Stunden Gehzeit kommen von links einige schöne Wasserfälle aus den Felsen, die sich kaskadenartig ergießen. Auch scheint das hier ein größeres Quellgebiet zu sein. Dass ich hier erste Gruppe von Wanderen treffen sollte ist keinWunder. Auch ich mache wenig später eine Pause am Bach. Direkt unter meinen Füßen liegt ein schon ledriger Froschkadaver, an dem sich alle möglichen Schmetterlinger und Käfer verlustieren. So ein Kleinkosmos ist immer wieder schön und relativert das eigene Ego.
 
Etwas später eine gewaltige Winter-Wildfütterungsanlage. In der Dimension habe ich das noch nie gesehen. Dann nach 3 Stunden Wegzeit die Ebene der Angeralm. Man glaubt das alles schon schon einmal in einem Western gesehen zu haben. Gut 200 Rindviecher, die sich auf dem weiten Talboden verteilen. Man erwartet jetzt eigentlich ein paar Cowboys auf Pferden („Unser Land ist gutes Land, Bonanza“) und Indinaner. Stattdessen wieder vereinzelte Mountainbiker, die sich auf dem Bike Trail Tirol befinden. Es ist genug Platz für beide und man kommt sich nicht in die Quere.
 


Angeralm, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu
Höhenmeter hat man bisher noch nicht groß geschafft. Das kommt mit Ende des Gatters der Angeralm. Ab jetzt windet sich die Straße in Sterpentinen hoch zur Karwendelhütte. An einem U-Turn mit schöner Sicht auf den Talgrund der Angeralm hat sich eine einsame Mountainbikerin niedergelassen, um ihr „kleines Geschäft“ zu verrichten. Erschroken ob meines Anblickt zieht sie sich die Hose hoch und murmelt peinlich betroffen eine Entschuldigung. Aber was sein muss, muss sein, zumal die Aussicht dann auch noch stimmt. Und trotz dem Klick-Klack meiner Stöcke muss ich nicht übermüßig laut gewesen zu sein.
 


Wo sind die Präsidenten?, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu

Blick ins Karwendeltal Richtung Scharnitz, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu
So endlich das letzte Hochtal mit dem Karwendelhaus und der darunter liegenden Fuggerangeralm. Von hier läuft in Diretissima ein Weg zur Hütte. Jetzt bin ich so im Hatsch und entscheide mich die Straße weiter zu gehen. Das dauert ein bisschen länger, weil sie sich in weiten Bogen auf das Joch hinaufzieht. So nach 5 Gehstunden komme ich kurz nach 18 Uhr an und bekomme den Schlüssel für mein reserviertes Einzelzimer ausgehändigt. Zunächst habe ich mich amüsiert über den roten aufgezeichneten Kreis vor der Eingangstüre mit einem Handysymbol darin. Später wird klar, dass dies der Hotspot ist, am dem einzig ein Handyempfang nach außen besteht.
 
Kurz frisch gemacht und dann in den Speisesaal. Da haut es mich erstmal zurück. Es ist laut wie in einer Bahnhofvorhalle. Man bekommt von den freundlichen jungen Bedienungen ein Kärtchen, auf das dann auf elektronischen Weg der Abendumsatz aufgebucht wird. Ich bin in Tirol und bestelle also ein Tiroler Gröstel. Kann gut sein. Doch hier sind es Stampfkartoffeln mit Speck und sauren Krautsalat. An den Nachbartischen gibt es irgendwas mit Zwiebeln obendrauf. Wohl das Entree zum Hüttenmenü, das ich auf der Karte nicht gesehen haben. Kraut und Zwiebeln am Hüttenlager – das gibt eine schöne nächtliche Furzerei – schön dass ich da mein eigene kleines Zimmer habe. Das Menü besteht aus 5 Gängen, wenn ich das richtig beobachtet habe. Neben dem Zwiebelteil, noch Suppe, Salat, wohl ein Tellerfleisch mit weißer Soße und ein Nachtisch mit weißen Kugeln. Sehr reichhaltig, aber irgendwie lieblos wie Großküche oder Mensa. Mir hat meine Portion und das damit verbundene „Geschmackserlebnis“ völlig gelangt. Die Kuchen, der Apfelstrudel und der Kaierschamrrn sehen aber super aus. Da liegen wohl eher die Stärken der Küche.
 
Ab 19.30 Uhr setzt sich der Hüttenwirt an jeden Tisch und verkündet mit seinem Tablet den Wetterbericht und gibt Tips für die Tourenplanung des nächsten Tages. Super Service und auch wenn der Wirt nicht so aussieht, sehr kenntnisreich. In Nachinein erfahre ich, dass die Familie die Hütte schon seit 3 Generationen betreibt. Da kennt man dann doch jeden Weg und Steig da oben. Die Tour durch das Vomper Loch wird mir vom Wirt mit der Variante ab Lamsenjoch Hütte als die schönste des Karwendels, wenn auch sehr anstrengend empfohlen. Da bin ich mal gespannt. Den Fluchtweg von Hoegner, der von dieser Seite bis zum Bärnfall harmlos aussieht, soll auf der anderen Seite hin zur Hochlandhütte (Gjaidsteig) ziemlich gewagt sein. Ohne Helm und Sicherung solle man ihn nicht begehen.
 


Bärenalp, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu
Nach 2 Bier raus an die Luft, ein bisschen die Füße vertreten und dann wieder in mein Zimmer. Das liegt genau über dem Hotspot, um den sich die aufgeregte Schulklasse von ca. 15 jähren Kindern und deren Lehrern versammelt hat. Dann kommt der gekrümmte Mann, den ich von meinem Platz in der Wirtsstube an der Spüle gesehen habe mit einem großen 15 l Eimer, geht zum Nachbarhaus, in dem das Winterlager untergebracht ist, steigt den kleinen Abhang hinauf und entsorgt die Küchenabfälle in den Latschen. Etwas später kommt er wieder aus dem Haus, wieder den Eimer in der Hand, führt kreisförmige Bewegungen aus und schüttet das darin befindliche Schmutzwasser den Abhang an der Terasse hinunter. Fand ich eine etwas befremdliche Art und Weise der Abfallentsorgung.
 
Das Bett ist groß genug und ich kämpfe mit meinem seidenen Hüttenschlafsack. Scheißteil, aber Pflicht, wenn auch nicht in der seidenen Version.

Ende des Hatsches, Foto HJ Hereth, www.fluchtwege.eu