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Grenzwanderungen als Tourismuskonzept
Grenzwanderungen als kulturelles Tourismuskonzept
 
 
Grenzenlos wandern kann als kulturelles Tourismuskonzept, das jenseits des Massentourismus ausgerichtet ist, ausgearbeitet werden. Es richtet sich an Gäste/Menschen, die Inhalte und Landschaft selbst erfahren, ergehen, begehen möchten und die sich langsam in die Landschaft und deren Geschichte(n) einlassen wollen, anstatt sie vorgekaut zu bekommen. Und wenn, dann sollte dies wenigsten durch eine anerkannte Fachkraft geschehen, einen Führer, der sie sicher durch ein ihnen noch unbekanntes Terrain begleitet.
 
Ist für solche Menschen Platz in bisherigen Tourismuskonzepten? Ich denke schon und möchte sogar so weit gehen, ihnen die Rolle der Avantgarde eines zukünftigen, sanften Tourismus zuzuweisen: da eine Anreise im eigenen PKW für sie wenig Sinn macht, sondern diese zumeist mit öffentlichen Verkehrsmittel geschieht, agieren sie klimafreundlich und schonen so die Umwelt, die sie auch besuchen möchten. Sie sind umweltwußt und an ihrer Umwelt interessiert, schmutzen und verschmutzen sie nicht, sondern wollen sie bewahren. Nachhaltigkeit steht auf ihrem Schild. Viele von ihnen haben sogar Mülltüten dabei, in denen Sie den Abfall anderer einsammeln und ins Tal tragen.
 
Das von mir vorgeschlagene Tourismuskonzept, das sich an den neu zu installierenden Weitwanderweg Grenzenlos wandern angliedern ließe, besteht vornehmlich aus den 2 Grundkomponenten, die flexibel miteinander kombiniert werden könnten:
 
  1. Erlebniseinheiten
Ein großes Problem von Weitwanderwegen ist das der Unterkunft und Verpflegung. Viele Orte sind nicht auf Tagestouristen eingerichtet, bzw. sehen diese auch nicht als wünschenswert an und der Tagesgast will nicht wie Maria und Joseph von „Pontius zu Pilatus“ laufen, um eine ansprechende Unterkunft zu finden. Andererseits sind Massenlager auf Hütten auch nicht nach jedermanns/-frau Geschmack, zumal man sich oftmals schon lange vorher für eine Übernachtung anmelden muss, unabhängig vom Wetter und der Verfügbarkeit einer Schlafmöglichkeit auf der nachfolgenden Hütte.
 
Ein Weg aus dieser Misere könnte die Aufgliederung des Wegverlaufs in 3-4 tägige Erlebniseinheiten sein, wie sie bei der Konzeption des Weitwanderweges Grenzenlos wandern versucht wurde. Diesen Etappen bzw. Erlebniseinheiten könnten sich mit einer 2-3 tägigen Rekonvaleszenzzeit an einem Ort zu einwöchigen Einheiten verbinden lassen, die auch für Hoteliers und Veranstalter mit geführten Pauschaltouren interessant und umsetzbar wären. Auf diese Weise hätte jede der beteiligten Gruppen einen Mehrwert.
 
  1. Guides (= Experte, Führer, Begleiter)
als Person oder als Podcast. Sie sollen, die auf den Wegen vermittelten Inhalte aufbereiten und vertiefen. Sie helfen beim Hineinhorchen in Fauna und Flora, geben ihnen eine Stimme und lernen uns wieder (zu zu)hören. Sie schaffen aber auch ein Bewußtsein dafür, wenn man nichts mehr hört (stumme Wiesen) oder sieht (Gletscher). Sie können auch zusammen mit den/dem sich führen lassenden Allmenden wie Kräuter und Pilze sammeln und diese gemeinsam auf Hütten oder Hotel zubereiten und essen.
 
Mögliche Themenstellungen und daran ausgewählte Guides könnten sein:
  • Musikguides, die die charakteristische Musik der Region oder die Musik, die durch Persönlichkeiten entstanden sind, die in dieser Region tätig waren
  • Botanische Gärten wie Schachen. Pflanzen- und Tierbeobachtungen im Extremen (Gletscher, Fels, Karst, Moor), Blicke auf das Unscheinbare und doch für den jeweiligen Standort Wesentliche.
  • Römerwege
    Auf Reste von Römerstraßen kann man überall auf dem Weg von Grenzenlos wandern stoßen: u.a. bei Landau/Tirol, Seefeld, Klais oder Eschenlohe. Oft schließen sich mir diesen Wegen kulturelle Zusammenhänge. Die Burg Eschenlohe mit den dort vorbeiführenden Römerweg gehörte zur Südtiroler Grafschaft Ultental. Ein Prinzip einte den römischen Straßenbau: die zu überschreitende Höhe war egal, Haupsache es war der kürzeste Weg
  • Annäherung an die Problematik der Zuwanderung von großen Beutegreifern.
    Wie geht der Mensch mit ihnen um? Können verlorengegangene Kenntnisse im Umgang mit solchen Tieren wiederaufgefrischt werden? Oder ist das Verhalten ihnen gegenüber nur von Angst oder sogar Haß bestimmt? Aktuell gibt es nicht nur in Bayern die von Almbauern und Naturschützern auf der anderen Seite erbittert geführte Diskussion um eine mögliche prophylaktische Entnahme (sprich Tötung) von Wölfen. Schon der Verbiss von 2 Schafen und einem Kalb wird als existenzbedrohend erachtet und somit ein Abschuß als gerechtfertigt angesehen. Oft genug werden die streng nach EU und nationalen Gesetz geschützten Tiere/Wolf/Luchs dann schon vor einer möglichen Zustimmung der Landratsämter „prophylaktisch“ gewildert. Anstößig findet das kaum einer und juristisch verfolgt bzw. zur Anklage und Verurteilung gebracht wird es eh nicht.
    Ein ähnliches Los hat der Biber zu tragen. War er früher noch als Lieferant von Bibergeil und Pelz und als Fastenspeise nützlich, was dazu führte, dass er im 19. Jahrhundert in Deutschland nahezu gänzlich ausgerottet wurde, so ist er heute, da er wieder zahlreicher anzutreffen ist, einfach nur lästig. Da es in Bayern keine vorgeschriebenen Uferstreifen an Gewässern gibt (mehr als max. 15 Meter begibt sich der Biber nicht vom Wasser weg), vergreift er sich halt mal an anderen Nutzhölzern oder dem Mais. Ein Schaden von 150 Eur rechtfertigen auch für diese strenggeschützten Tiere die Entnahme. Für gut 10% des Bestandes endet diese Maßnahme in Bayern jedes Jahr tödlich.
  • Geologie: über die Entstehung der Alpen berichten Kristall- und Metallsammler. Achäologen zeigen den Abbau von Mineralien am Pfitscherjoch, einem seit über 4000 Jahren benutzten Alpenübergang
  • Philosophie (Goetheweg) und andere Wege zur Selbstfindung und Reflexion
  • Eventisierung der Alpen
  • der Schriftsteller als Senn oder der Städter als freiwilliger Helfer für Bergbauern und auf Almen
  • Jagd und Wilderei
    2014 wurde des 100. Jahrestag der Ermordung Erzherzog Franz Ferdinand 1914 in Sarajewo gedacht, der zum Ausbruch des 2. Weltkrieges geführt hat. Nicht nur in den Alpen wurde dabei verbissen um jeden Meter Landgewinn gekämpft. Nachbarn wurden Feinden (Friedenswege am alten Frontverlauf u.a. in Lusern/Lavarone/Fort Verle bei Pizzo di Levico). Nahezu in Vergesssenheit geraten ist, dass Franz Ferdinand seinen Tod Legende nach selbst herbeigeführt hatte. Der begeisterte „Jäger“, der in seinem kurzen Leben mehr als eine halbe Million Tiere getötet hatte, schoß 1913 im Blühnbachtal eine weiße Gemse. Der Sage nach, die eng mit der der Saligen Frauen verbunden ist, (LinK Fluchtwege/Ötztal) muss er für diesen Frevel binnen eines Jahres sterben, was er dann auch tat.
  • Wildhonig/Bienen
  • Bewußtmachung von Kreisläufen in der Natur (Leben, Sterben, Veränderungen):
    Beispiel Tiroler Speck: früher wurden Abfälle von (für Gäste bewirtschafteten) Hütten/Almen als Schweinefutter verwendet. Diese Schweine wurden dann wiederum als Lebensmittel an den Hütten angeboten. Ich persönlich habe in 40 Jahren Wandern in Südtirol kein vierfüßiges Schwein dort gesehen. Diese Form von Abfallverfütterung ist heute nicht konform mit den EU-Hygienevorschriften. Die Schweine kommen aus Polen oder Deutschland, werden in Südtirol geschlachtet und verarbeitet und sind somit „südtirolerisch“. Manche international berühmte Lokalgrößen machen dafür sogar Werbung. Muss ich als Gast das dann essen oder mich doch lieber auf „klassische“ lokale Gerichte wie Graupensuppe „beschränken“?
  • Krumer“, so wurden die Wanderhändler aus Tirol/Südtirol auch genannt. Von Kaiserin Maria Theresia hatten sie die Erlaubnis zum Wanderhandel bekommen und wurden durch ihren Gesang, ihre auffällige bunte Tracht zum Synonym für „den“ Tiroler schlechthin. Die Imster Krumer, spezialisiert auf Singvögel, wurden sogar zu Initiativfirguren einer Operette, „dem Vogelhändler“
  • experimentelle Archäologie
  • Transhumanz: Das Wort „Transhumanz“ bedeutet „auf die Gebirgsweide führen“ und geht auf das französische Wort „transhumer“ also „wandern von Herden“ zurück. Eine andere Deutung bezieht sich auf die lateinischen Wörter „trans-„ und „humus“ und wird mit „jenseits der bebauten Erde“ übersetzt. Die transhumante Hütehaltung ist an Räume gebunden, die eine Wanderung zwischen zwei klimatisch unterschiedlichen und nur saisonal nutzbaren Grasgebieten auf verschiedenen Höhenlagen ermöglichen.
  • Klimawandel und die Folgen für den Weg: Erosion durch „Wegabschneider“, Sperrung von Wegen durch die dauerhafte Gefahr von Steinschlag oder Felsrutschen, verursacht durch das Auftauen von Permafrostzonen.